Mehr als einmal hatte ich jetzt schon Japan besucht. Ich hatte mich verliebt. Aber was ich da wahrgenommen hatte, war nur eine schöne Fantasie, so glaubte ich.
Ich wollte das echte Leben kennenlernen. Das echte Japan. Den Alltag in dem Land, das mich so sehr fasziniert.
Ich hielt ein Jahr für angemessen. Ein Traum ging in Erfüllung, ich durfte das Land der aufgehenden Sonne in allen vier Jahreszeiten erleben. Meine Vorfreude war unbeschreiblich.
Aber damit mir auch nichts entging, entschied ich mich für einen sehr krassen Kontrast.
Ich verbrachte die ersten sechs Monate in einem kleinen Dorf in der Stadt Gifu. Die Sprachschule, die ich besuchte, war alt und heruntergekommen, genau wie das danebenstehende Wohnheim, in dem auch ich lebte. Aber sie war so liebenswürdig, wie man sich keine Schule vorstellen kann. Wir waren keine hundert Schüler und eine große lebendige Familie. Ich war sehr glücklich.
Doch dann kam der Zeitpunkt des Umzugs, ich lebte die letzten sechs Monate in der Hauptstadt – in der Metropole – in Tokyo.
Es war mehr als ein großer Kontrast zum Landleben, es war wie ein anderes Land. Keine Reisfelder und Berge mehr. Stattdessen ein Betonmeer und Menschen, die mir Angst machten.
Doch ich lernte, meine Flügel auszubreiten und zu fliegen.
Mit großen Schwingen über die niemals stillstehende Stadt. Ich fand heraus, worauf es im Leben wirklich ankommt, egal ob in Tokyo, in Gifu oder in meiner Geburtsstadt Bonn.